Die Ausstellung ‚die Motte’ der Künstlerin Regina Maria Möller läuft noch bis zum 17.11.2018 in der Galerie Michael Janssen. In München geboren, hat sie an den Philosophischen Fakultäten der Ludwig Maximilians Universität studiert. Möller verbrachte viele Stationen ihrer Karriere als Professorin/Gastprofessorin und Künstlerin (seit 1993) im Ausland: in New York, in Stockholm, am NTNU in Trondheim, Singapur und am MIT in Cambridge. Heute lebt sie in Berlin. Mit fortlaufenden zumeist interdisziplinär ausgerichteten Arbeiten wie ‚regina’ oder ‚embodiment’ konzentriert sich Möller auf gesellschaftlich relevante, teils autobiografische Themen. Damit bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Kunst und Alltag.

GoArt! traf Regina Maria Möller zu einem Gespräch.

MB: Regina, wie beginnt Dein Tag?

RMM: Wenn ich in Berlin bin mit Training im SSE – ich schwimme.

MB: In Deiner ersten Ausstellung der Galerie Janssen hast Du das Schaufenster mit einem schweren Samt-Viskose Vorhang verhangen. Beim Betreten des vorderen Galerieraums werden die Betrachtenden dann mit einem Bühne-ähnlichen Set historischer Theatervorhänge konfrontiert. Diese müssen sie durchlaufen, um zu dem von Dir bespielten ‚Requisitenfundus’, dem back space der Galerie mit weiteren Arbeiten von Dir zu gelangen. Eine indirekte Regieanweisung für die Besucher*innen – welche Rolle spielt ‚die Motte’ in dieser Inszenierung?

RMM: Über diesen „Hauptvorhang“ betreten die Besucher*innen quasi die Galerie und werden zu Akteur*innen. Inmitten der „Bühne“ entsteht ein Spiel von Schatten und durch das Bewegen und Verschieben der Vorhänge, wird immer wieder eine neue Perspektive bzw. ein neues Szenenbild eröffnet. Die Dramaturgie und Orientierung kreist –  ähnlich dem Verhalten von Motten, die um das Licht kreisen, aber auch das Dunkle suchen. Ich beziehe mich mit der Motte auf die „Kleidermotte“. Ein unliebsamer Gast in unseren Kleiderschränken, aber ein Qualitätsgarant in digitalen und „Kunst-Stoff“ besessenen Zeiten. Ihre Larven ernähren sich von Keratin, einem Protein, das bei Tieren ein Bestandteil im Fell sowie im Horn ist.  Daher sind Fasern von hoher Qualität, wie Wolle und Seide, ein willkommenes Futter für die Larven.

Mit einem schweren Theatervorhang assoziiert man oft etwas Verstaubtes – in dem sich Tausende von Motten-Larven tummeln. Er wird durchlöchert, zerfressen und wenn er nicht im Theaterfundus aufbewahrt wird, landet er in der „Mottenkiste“. Das Fabelwesen „The Mothman“ steht allegorisch für den Sensenmann. Aber auch die Kleidermotte ermahnt an das Vergängliche – für mich ein memento mori an unsere Sinne und an Material als fassbaren Körper. So kommen auch die Porzellan Vasen mit Motten-Motiv ins Spiel, die ich zum einen mit Uli Aigner One Million und zum anderen mit der Porzellan Manufaktur Nymphenburg produzierte. Das Kunsthandwerk der Porzellanmalerei /-produktion hat in unserer technologischen Zeit einen neuen Stellenwert eingenommen. Daher liebe ich umso mehr ihre Feinheit und das Unperfekte. Porzellan hat einen Charakter. Es hat, wie so viele Materialien mit denen ich arbeite, einen eigensinnigen Willen – ein Leben –  das für Überraschungen sorgt. So auch die Motte.

MB: Du kommst ursprünglich aus der Theorie, hast unter anderem Kunstgeschichte studiert. Seit 1994 trittst Du aber auch künstlerisch in Erscheinung. Z.B. mit der Zeitschrift ‚regina’ sowie dem Label ‚embodiment’, für das Du Kleidung, Tapeten und Möbel als Kunstwerke entwirfst. Auffällig sind all die biografischen Komponenten. Man betrachte etwa ‚Reproduktionen’ oder anderen Fotoarbeiten, gar die als Requisiten entwickelten Kleider. Siehst Du Deine Arbeiten im Sinne eines künstlerischen Selbstporträts?

RMM: Ich sehe mich nicht als ein Kunstobjekt und inszeniere mich nicht als Kunstwerk. Aber als Autorin und Künstlerin stehe ich zu und als Verantwortliche hinter meinen Arbeiten. Insofern hinterlässt jedes Werk einen Abdruck, ein Abbild von mir. Die Frage nach Identität(en), wie sie sich im Alltag, interkulturell und medial zum Beispiel über „Bekleidung“ (Kleidung, Textilien, Interieur) definieren, aber auch Rollenbilder zugeschrieben und durchbrochen werden, sind Themen von „regina“ und „embodiment“. Heute – im schnelllebigen, digitalen Zeitalter – legen sich Personen mehrere Identitäten zu und Biographien. Damit sind sie zum Spiegelbild einer „Ausstellungsgesellschaft“ geworden.  „regina“, „embodiment“ wie auch „Reproduktion“ reichen in ihren Anfängen in die  90er Jahre zurück. Da gab es noch ganz andere Umstände von Identitätsfragen als heute. Heute haben sie eine neue Aktualität – ihre „körperliche“ (embodiment) und „analoge“ (regina) Anwesenheit.

MB: Gegenstände, die Protagonisten aus dem Kulturleben wachrufen wie etwa der Brecht’sche Vorhang in der Ausstellung, eine Zeitreise durch unterschiedliche Epochen sowie Genre – ist die Motte Synonym für den Forscher- und Künstlergeist, gar für Dich und Deinen interdisziplinären Arbeitsstil?

RMM: Nein. Aber sie ist ein Teil davon.

MB: Ein Thema, das mich besonders reizt, ich aber auch in der eher kritisch konzipierten ‚Frauenzeitschrift’ regina entdecke, ist die gesellschaftliche Bedeutung von Essen, Ernährung. Das geht bis hin zu Rezepten. Welche Bedeutung hat Essen/Kochen für Dich persönlich, in Deinem künstlerischen Kontext?

RMM: Daniel Spoerri hat mich mit „Eat Art“ früh gelehrt wie eng Kunst und das Kochen zusammenhängen. Die Küche ist der Ort für Begegnungen. Über das gemeinsame Kochen und Essen entsteht ein „natürlicher“ Austausch zwischen verschiedenen Kulturen. Ich selbst koche sehr gerne und das Kochen und Kosten genieße ich auch als ein entspanntes Nachdenken. Ich erfreue mich an liebevoll gedeckten Tischen –  schlichte und prachtvolle – aber immer liebevoll müssen sie sein. Und dann gibt es ja auch noch von König Ludwig II – dem Märchenkönig von Bayern – das sagenhafte Tischlein deck dich!

MB: Rezeptidee?

RMM: Unsere Sinne und Sensoren trainieren.