Im März besuchte GoArt! das CCA Andratx auf Mallorca und interviewte die Inhaberin und Gründerin Patricia Asbaek zu ihrer Kunstinstitution. 

Miriam Bers (MB): Lebst Du auf Mallorca? Wie beginnt dein Tag?

Patricia Asbæk (PA): Ich lebe etwa die Hälfte des Jahres hier – ca. 5 Monate. Ich pendle zwischen Kopenhagen und der Insel, bin zu Ostern wieder da und dann im August und September. Mein Mann Jacob ist das ganze Jahr über in Andratx. Und wie Du eben sehen konntest beginnt mein Tag mit Aufräumen.

MB: Ihr hattet über 40 Jahre eine Galerie in Kopenhagen. Sie wird heute von einem eurer Söhne geführt. Vor knapp 20 Jahren habt ihr euch entschieden dieses wundervolle Zentrum für zeitgenössische Kunst CCA Andratx auf Mallorca ins Leben zu rufen. Kannst Du mir mehr über die Idee und den Prozess erzählen, der dahinter steckt?

PA: Wir hatten 45 Jahre lang eine Galerie, aber es ist nicht dieselbe, die mein Sohn hat, seine heißt Martin Asbaek Galerie. Bis auf 3 Künstler von uns, die er in sein Portfolio übernommen hat, ist sie unabhängig von unserer. Martin ist unser mittlerer Sohn, mein älterer Sohn ist Kunstberater und eröffnete 2018 gemeinsam mit seiner Frau Tania auch eine eigene Galerie  – sie heißt ’Collaborations’ und befindet sich in Kopenhagen. Martin Asbæk zeigt die beste Fotokunst in Skandinavien und Thomas’ ‘Collaborations’ arbeitet mit Johann König, Esther Schipper und vielen anderen zusammen. Er hat unter anderem Ausstellungen mit Alicja Kwade kuratiert.
Alicja und Gregor Hildebrandt waren auch schon in Andratx. Gregor ist ein absoluter Filmfan. Mein jüngster Sohn Pilou ist Schauspieler und als Gregor hier war spielte er gerade in der dänischen TV Serie ’Borgen’, die Gregor kannte. Erst danach  wurde Pilou mit Game of Thrones zum Weltstar.
Alicja und Gregor sind mit die nettesten Künstlern die wir hier hatten. Kürzlich besuchte ich Alicjas Atelier in Berlin. Es ist größer als das CCA, und sie hat mehr Mitarbeite als wir jemals hier in Andratx hatten.
Über das CCA Andratx: 1989 kauften wir ein Stück Land auf Mallorca, das ursprünglich nur für uns selbst gedacht war – eine alte Finca die Jacob renovierte und die unser Sommerhaus werden sollte. Aber es war zu schön, um es nur für uns zu behalten und so entschieden wir, es mit Künstlern, Kunstliebhabern und Sammlern zu teilen. Wir hatten den Wunsch eine Mischform zu schaffen, die es so nicht gab: einen Ort für Stipendiaten, eine Kunsthalle und zugleich eine Galerie.

Das Land war eine sogenannte ’zona rustica’ und wurde dann in eine ‚zona social’ umbenannt, was bedeutet dass man außer Krankenhäusern, militärischen Einrichtungen oder Kulturorten nichts bauen durfte; dennoch hat es 5 Jahre gedauert, die Erlaubnis zu erhalten mit dem Projekt zu beginnen. Die Leute aus der Umgebung dachten, es sei ein Ort um Geld zu waschen. Aber wie mein Buchhalter so treffend sagte, muss es ein sehr tiefes Loch sein aus dem das Geld nicht wieder heraus kommt.
Wir haben das CCA aus Überzeugung geschaffen. Es ist mit viel Leidenschaft zur Kunst entstanden – wir wollten nach 35 Jahren in Dänemark eine internationale Plattform und einen Treffpunkt für Kunstschaffende unterschiedlicher Nationen schaffen – zur gegenseitigen Inspiration und um die Zusammenarbeit zu fördern – nicht Konkurrenzdenken.

MB: Wie wurde der Ort genutzt, bevor er von Euch in das CCA transformiert wurde? Wer hat dieses schöne Gebäude entworfen? Es gibt soviel Platz hier, mit vielen Sitzecken und sogar zum Spazierengehen, zum Nachdenken, zum Diskutieren – es ist viel mehr als ein reiner Ausstellungsort.

PA: Mein Ehemann Jacob Asbæk ist der Architekt des CCA – er fertigte die Konstruktionszeichnungen gemeinsam mit einem Fachmann aus Mallorca an. Und die Person, die die Steinmauer errichtet hat, ist ein wahrer Künstler, er ist der Beste auf der ganzen Insel aber auch der Teuerste. Zu Beginn hatten wir viel Geld, aber nachdem wir mit dem Bauen begannen, war keines mehr übrig.
Wir konnten das CCA 2001 eröffnen, dank vieler guter Freunde die uns unterstützten. Aus der Kunstwelt waren es Karola Grässlin und Christian Nagel. Heute ist es immer noch Jochen Hempel, der uns zur Seite steht. Und wir sind sehr dankbar dafür.
Kurios ist, dass die Galerien, die uns unterstützen, ausländische Galerien waren. Jetzt nach 18 Jahren möchten endlich auch lokale Galerien mit uns kooperieren – damals kamen sie noch nicht einmal mal zu unseren Abendessen.

Ich habe diesen Platz auch aus der Befürchtung heraus geschaffen, dass der Kunstbetrieb immer mehr an Leidenschaft verliert und Kunst immer kommerzieller und zu einer Art Sport wird. In diesem Punkt möchte ich, dass wir alle zusammenhalten. Als Vorsitzende des Zulassungsausschusses vom Art Forum in Berlin beispielsweise erlebte ich extrem viel Konkurrenz seitens der ansässigen Galerien. Sie führte letztlich zum ‚Aus’ der Messe.
Unser Ziel war es Grenzen zwischen Galerien und Institutionen zu überwinden. Die Galerien sind die, die Wagnisse gerade mit jüngeren Künstlern eingehen und dafür verdienen sie höchsten Respekt.

MB: Das CCA arbeitet mit internationalen Künstlern wie etwa Shiharu Shiota und Claus Rottenbacher, aber auch mit mallorquinischen Talenten. Und Ihr habt ein Stipendiaten-programm mit vier Studios kreiert. Nach welchen Kriterien werden dort die Künstler ausgesucht?

PA: Das CCA ist wie ein kleines Kloster gestaltet und sein Herz sind die Künstlerstudios. Wir erhalten über 600 Bewerbungen jährlich (davon 50% aus Berlin), aber können nur 48 Künstler aufnehmen. Von diesen sind dann auch etwa 50% aus Berlin. Mein guter Freund Christian Nagel sagte einmal, Berlin ist die einzige Stadt der Welt mit 8000 Künstlern, 800 Galerien und 80 Sammlern.
Die Auswahl der 100 Interessantesten und Professionellsten ist recht einfach. Aber dann wird die Entscheidung sehr schwierig. Das Problem ist auch, dass Künstler oft ein zweites Mal kommen möchten: und wir lieben sie natürlich und möchten dass sie noch einmal zurückkehren!
Bei der Auswahl helfen mir unsere Koordinatorin und Kunstmanagerin Jacky und Malou, Kuratorin und Artist Liaison Managerin. Manchmal berate ich mich auch mit meinem guten Freund Barry Schwabsky.

Wenn Leute behaupten, die Qualität von Kunst sei reine Geschmackssache, stimme ich nicht zu. Es ist einfach nicht wahr. Wenn man mehrere unabhängige Kunstprofis zur Qualität von Künstlerarbeiten befragt werden die meisten auf einen Nenner kommen. Natürlich hat jeder seine Vorlieben, ich mag Minimalismus, andere mögen Expressionismus oder Konzeptkunst, aber ich verstehe trotzdem immer, was in den anderen Genres gut ist. Was wir nicht wollen sind Epigonen und das reduziert die Auswahl erheblich. Ein Künstler muss seine eigene Handschrift haben. Nach so vielen Jahren der Auseinandersetzung mit Kunst erkennt man das sehr schnell.

Qualitätskriterien erlangt man durch das Studium der Kunst aber auch Intuition, ein Mix aus beidem. Ich bekomme plötzlich so eine Gänsehaut im Nacken und frage mich: warum macht der Künstler das, es ist so anders. Aber wie kann man das jemandem erklären, der das nicht fühlt?
Zugleich muss man gründlich und methodisch Schauen. Ich habe das als junge Frau von einem Freund unserer Familie, dem dänischen Verleger Jarl Borgen gelernt.

MB: Mir gefällt Eure Ausstellung “Arrels. Art Ceramic in Mallorca” sehr, die noch bis zum 09. Juni 2019 zu sehen ist. Im CCA zeigt Ihr Konzeptkunst und Malerei neben Keramikarbeiten. Ist das ein persönliches Statement oder beruht es vielmehr auf der Idee, das Zentrum für ein breiteres Publikum zu öffnen?

PA: Die Stipendiaten, die hierher kommen, wollen am Wesen der Kunst arbeiten, zur Essenz kommen und das heißt sie tauchen gleichfalls in die Genre Zeichnung und Keramik ein. Abgesehen davon habe ich noch nie einen guten Künstler gesehen, der nicht auch gute Zeichnungen macht. Und auch wenn man Keramik vor 10 Jahren tot gesagt hat, lieben die Künstler sie heute immer noch, vielleicht sogar mehr als zuvor.
Wie bereits gesagt, gibt es kein ‚schlechtes’ Kunstgenre und wir haben immer Photographie, Malerei, Skulptur, Keramik, Video- und Installationskunst ausgestellt.

Für einige Leute sind wir zu konzeptuell, aber unser Ziel ist es immer aktuellste zeitgenössische Kunst zu zeigen. Eine der schönsten Ausstellungen die ich je gesehen habe ist Oxalis: sie ist wie eine Zeichnung im Raum. Ihre Künstler Shane Bradford, Benedikt Hipp, Mary McDonnell and Sissel Marie Tonnsind jung aber sie sind wirklich gut. Während der Gestaltung der Ausstellung haben sie die Galerie bewohnt und dadurch ein Gefühl für alle Blickwinkel und den Umgang mit Licht und Schatten bekommen. Das ist wohl der Grund warum sie in der Lage waren mehr den Raum und weniger die Wände zu nutzen. Wenn Du lernen möchtest wie du sehen musst, ist das eine wundervolles Beispiel, die ganze Harmonie  – nicht eine Linie, nicht ein Schatten sind nicht durchdacht! In Oxalis kannst Du diese Vielfalt erspüren: die Ausstellung ist fast wie ein von der Art Povera inspiriertes Theater.
Manche Besucher gehen in einen Raum und sagen: „Das gefällt mir nicht“. Meiner Meinung nach ist es unsere Verantwortung, Menschen das Sehen beizubringen wenn es um Kunst geht.

MB: Wie haben die Mallorquiner auf diese renommierte Kunsthalle reagiert? Gibt es Kollaborationen mit politischen Akteuren oder der Stadt Palma? Erhaltet Ihr finanziellen Support von der Insel?

PA: Wir eröffneten 2001 und die einzigen, die uns von Beginn an unterstützten und an uns glaubten war die Stadtverwaltung von Andratx. Letztes Jahr erhielten wir vom Präsidenten der Insel die Goldmedaille für Kultur die erstmalig an Ausländer verliehen wurde. Wir sind sehr stolz und dankbar darüber.
Zudem hat sich unser Sohn Pilou, der den Bösen Euron Greyjoy in Game of Thronesspielt, als guter Held herausgestellt. Letztes Jahr wurde er – ebenfalls vom Präsidenten – an Stelle von Michael Douglas als Kulturbotschafter der Insel benannt.

Nach diesen beiden Ereignissen erhielten wir schließlich die wunderschöne Einladung, in der Pelaires Galerie in Palma anlässlich unserer neuen Mitgliedschaft der Art Palma Association auszustellen.  Die Ausstellung heißt ‘A Landscape of the Nature within’ und zeigt Arbeiten desDeutschen Malers  Carsten Fock (der inzwischen in Berlin lebt), sowie zweier Dänen, Absalon Kirkeby und Karl Troels Sandegaard. Alle Drei waren CCA Stipendiaten der letzten Jahre. Die Ausstellung wurde am 23. März eröffnet und läuft 3 Monate lang.
All die positiven Entwicklungen lassen mich an das Bild des Pelikan denken: man schaut ihn an und denkt er kann nicht fliegen weil er so schwer ist, aber dann plötzlich hebt er seine Flügel und schwebt in die Lüfte. Alle sagten, wir würden es nicht schaffen, aber wir sind immer noch da!
Heute haben wir mehr Besucher und verkaufen auch mehr Werke als noch vor zwei Jahren. Das heißt, alles geht definitiv in die richtige Richtung. Unsere Söhne unterstützen uns sehr aber sie sind natürlich mit ihren eigenen Karrieren beschäftigt – wir müssen Partner finden bevor ich 80 werde. Jemanden, der versteht, was wir da aufgebaut haben. Die Qualität unserer Ausstellungen ist nie gesunken. Ich könnte mir vorstellen, dass es Deutsche sein sollen, denn sie haben eine bessere Kunsterziehung als Dänen, schon aufgrund all der Kunsthallen und Kunstvereine.

MB: Kannst Du mir etwas über die bevorstehenden Projekte erzählen?

PA: Unsere derzeitigen Fellows Kristian Kragelund, Karl Monies, Elisabeth Molin und Nathan Peter haben ihre Ausstellungen am 29. März eröffnet und wir werden zu Ostern – wenn mehr Leute auf der Insel sind – eine offiziellere Eröffnung haben. Am 18. April zeigen wir Le hasard et la nécessicité. Er bezieht sich auf den Nobelpreisträger Jaques Monod, aber zeigt letztlich Arbeiten von vier Künstler*innen, die auf die eine oder andere Weise die Spannung zwischen Veränderung und Notwendigkeit im Leben thematisieren. Am selben Tag eröffnen wir ALL INCLUSIVE, eine Ausstellung die Werke von unseren aktuellen Künstler Residenzen Ditte Ejlerskov und Johan Furåker zeigt.
Im Mai freuen wir uns einige meiner Lieblingskünstler*innen begrüßen zu dürfen die bereits vor vielen Jahren hier waren: Matthias Bitzer, Sebastian Hammwöhner and Gabriel Vormstein. Unser vierter Künstler wird Michael Sailstorfer sein, den ich auch sehr mag – für ihn ist es das erste Mal hier in Andratx. Es wird eine richtige gute Gruppe!

Mit GoArt! nach Mallorca