Miriams Künstlerauswahl des Monats
Tracey Snelling ist eine U.S. amerikanische zeitgenössische Multimedia Künstlerin. Sie wurde 1970 in Oakland (Kalifornien) geboren und hat Bildende Kunst an der University of New Mexico studiert. Ihre Environments spiegeln häufig das Verhältnis von Architektur und deren soziologischer Kontextualisierung wider. Sie bestehen aus teils lebensgroßen, teils miniaturhaften architektonischen ‚Skulpturen’, die mit Videos bzw. Performances bespielt werden und dem Betrachter einen voyeuristischen Blick in die dort angesiedelte Nachbarschaft gestattet. Snellings aktuelle Arbeit ist während ihres noch bis zum April 2018 andauernden Stipendiums im renommierten Künstlerhaus Bethanien entstanden, in Kreuzberg in Kottbusser Tor Nähe gelegen. Die Künstlerin hatte u.a. Ausstellungen im MAD New York, im Palazzo Reale in Mailand und dem Königlichen Museum der Schönen Künste Belgien. Im Jahr 2015 erhielt sie den Preis der Joan Mitchell Foundation für Maler und Bildhauer. Miriam Bers traf Tracey Snelling zu einer Art Night in ihrem Kreuzberger Atelier.
MB: Du lebst seit fast einem Jahr in Berlin. Bist Du hier angekommen, fühlst Dich zugehörig, als Teil der Stadt?
TS: Das erste Mal in Berlin war ich im Februar 2016 – dort blieb ich sieben Monate und ging zurück nach Oakland. Als ich dort ankam, wurde mir klar, dass ich nach Berlin gehöre. Im April 2017 bin ich erneut nach Berlin gereist, um mit dem Historischen Museum in Frankfurt eine skulpturale Auftragsarbeit zu realisieren und Berlin noch besser kennenzulernen. Ich fühle mich hier integriert. Es fühlt sich einerseits an wie ein Zuhause, gleichzeitig ist alles aufregend und neu für mich. Berlin bedeutet Freiheit. Hier kannst du sein, wer du wirklich bist, und niemand schaut dich komisch an. Berliner sind einiges gewohnt und deshalb gelassener was das anders Sein angeht.
MB: In Deiner aktuellen Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien, insbesondere den in Lebensgröße arrangierten fast romantisch anmutenden ‘Living Room’ und ‘Bedroom’ sind Wrestler, eine Punk Band und Du, die tätowiert wird die Protagonisten der Life-Performance. Hier kommt mir Nan Goldin in den Sinn. Oder ist Deine Arbeit vielmehr eine konzeptuelle, eine Art sympathisierender Vereinnahmung von mehr oder weniger marginalisierten Gruppen? Die Vorlagen Deiner Archiktekturskulpturen sind Sozialbauten am Kottbusser Tor.
TS: Viele der Raumkontexte, Objekte und Performances sind Referenzen aus meinem Leben; viele stammen noch aus meiner Jugendzeit. Ich habe die Band Hertzangst letztes Jahr zum ersten Mal in Wedding spielen hören – der Schlagzeuger ist ein Freund von mir. Ich liebte sie von Beginn an und hatte sofort ein Bild in meinem Kopf, wie sie in einer meiner Installationen auftreten. Was das Tattoo betrifft, habe ich zwar schon drei, aber ich wollte bereits seit einiger Zeit ein Tigertattoo haben. Den Tätowierer kenne ich von einer früheren Residency im ZKU in Berlin. Ich mache Muay Thai Kickboxen und habe den Sport in der Eröffnungsnacht sowie den abendlichen Aufführungen aufgegriffen. Die Räume stellen eine Hommage an meine Vergangenheit dar, meine Gegenwart und auch meine Fantasien.
MB: Wie bist Du zu Deiner künstlerischen Sprache gelangt? Und wie versteht man das Verhältnis zwischen kleinformatigen Wohnhausmodellen und lebensgroßen Räumen in Deinen Installationen?
TS: Ich habe als Fotografin angefangen und immer mit dem Mix von Medien gespielt. Dann produzierte ich eine Reihe von Collagen, eine trug den Namen 1881 Chestnut Stree. Hierbei handelt es sich um ein Backstein-Apartment-Gebäude, bei dem die Vorderwand fehlt, sodass alle Zimmer zu sehen sind. Dieses Haus lieferte mir die Idee dazu, ein Miniatur-Haus zu bauen, das collagiert wurde. Von hier aus wuchs die Arbeit organisch weiter und wurde 2004 um ein Video erweitert. Der Größenunterschied ist sehr interessant für mich. Die Maßstabsverschiebungen zeigen, wie sich die Realität aufgrund ihrer Wahrnehmung ständig verändert.
MB: Was hast Du für Gewohnheiten, lebst Du hier in Berlin so wie in Oakland, Deiner Heimatstadt?
TS: Hier bin ich mehr unterwegs! Es fühlt sich viel einfacher an, hier in der Stadt herumzukommen. In Oakland fühlt es sich oft an wie eine Wanderung zur Nacht der Eröffnungen nach San Francisco. Hier gibt es so viel zu unternehmen!
MB: Welche Orte magst Du besonders in Berlin? Hast Du ein Lieblingsrestaurant, eine coole Bar, die Du abends besuchst? Oder kochst Du selbst?
TS: Berlin ist im Sommer natürlich am schönsten. Als ich 2016 im Wedding lebte, fuhr ich sonntagmorgens mit dem Fahrrad zum Mauerpark, aß etwas, shoppte ein bisschen auf dem Flohmarkt und fuhr zurück in mein Studio, um zu arbeiten. Ich mag den Humboldthain Park, die verrückten kleinen Läden in der Karl-Marx-Straße, den türkischen Markt in der Nähe des Bethanien. Ich liebe das türkische Essen hier – so viel Auswahl. Ich bekomme nie genug von Lamm Kebab.
MB: Welches sind Deine Pläne für die Zeit nach dem Stipendium?
TS: Ich nehme bald an einer einmonatigen Residency in New Orleans teil, dann folgt eine Ausstellung zu Hause – dort werde ich Familie und Freunde besuchen und im Anschluss kehre ich zurück nach Berlin.
MB: Vielen Dank für das tolle Künstlerinterview, Tracey!